Praktikum im WeltenMuseum

Wir fragen Gökay Kanmazalp, Praktikant im Bereich Sammlung + Forschung mit Schwerpunkt im Fachgebiet Ethnologie.

Wie bist Du ans Landesmuseum Hannover gekommen?

Ich belege derzeit den Masterstudiengang Atlantic Studies in History, Culture & Society an der Leibniz Universität Hannover. Im Wintersemester 2020/21 habe ich ein 4-monatiges Pflichtpraktikum am Landesmuseum Hannover absolviert. Aus meiner Sicht war das eine der besten Möglichkeiten, die man während des Studiums haben kann, um Erfahrungen zu sammeln.

Was hast Du während deines Praktikums gelernt und erfahren?

Um ehrlich zu sein, war ich am ersten Tag meines Praktikums ein wenig unsicher, ob ich einen guten Beitrag zum Museum leisten kann, da es viele verschiedene Abteilungen mit unterschiedlichen Fachgebieten gibt, wie z. B. Sammlung + Forschung, Numismatik, Ethnologie, Provenienzforschung usw. Im ersten Moment denkt man vielleicht, dass es nicht so einfach ist, das Praktikum an einem Ort zu machen, an dem es viele verschiedene Disziplinen gibt. Aber das war eigentlich eine der besten Erfahrungen, die ich während meines Praktikums im Landesmuseum Hannover gemacht habe: Interdisziplinarität. Dank dieser Möglichkeit konnte ich verstehen, wie diese verschiedenen Disziplinen an die Objekte herangehen und wie sie diese Objekte wahrnehmen. Für mich war es erstaunlich zu sehen, wie viele Informationen man von einem einzigen Objekt erhalten kann. Außerdem war es total interessant zu sehen, wie viel Arbeit in einer Ausstellung steckt, an der wir bei unseren Museumsbesucher*innen einfach vorbeigehen, ohne sie zu bemerken. Es war für mich sehr wichtig zu erfahren, wie die Objekte in einem Museum sortiert, definiert und ausgestellt werden. Ich habe erkannt, wie wichtig es ist, auf die Konnotationen der Beschreibungen und Definitionen zu achten, die wir für die Objekte in den Ausstellungen und Sammlungen verwenden.

Mitarbeiter*innen des Landesmuseums Hannover (von links Ute Thiessen, Rebecca Grethe, Jan Hoffmann, Gökay Kanmazalp) bei der Arbeit mit einer Malangan-Schnitzerei

Hast Du ein Lieblingsobjekt?

Bei einem kurzen Besuch im Depot des Museums waren meine Praktikumsbetreuerin Mareike Späth und ich auf ein Objekt gestoßen, das aus meiner Heimatstadt Izmir stammt. Für mich war es ein sehr interessanter und spannender Moment, herauszufinden, dass im Jahr 1880 jemand dem Museum ein Objekt aus meiner Heimatstadt geschenkt hat und ich als eine Person aus Izmir diesem Objekt im Jahr 2021 begegne, was die Verbindungen und die Mobilität beweist, die seit Jahrhunderten in der Welt bestehen. Seitdem wurde es mein Ziel, die Antworten auf einige Fragen zu finden: Wie ist das Objekt erhalten? Warum war die Person, die das Objekt dem Museum geschenkt hat, in Izmir? War die Person überhaupt jemals in Izmir gewesen, oder sind die Schuhe auf anderem Weg nach Hannover gekommen? Einige Fragen konnte ich durch Provenienzrecherche beantworten, aber viele Fragen sind nach wie vor offen.

Was nimmst Du mit aus dem Praktikum und wie geht es nun für Dich weiter?

Während meiner Praktikumszeit habe ich nicht nur viele interessante Aspekte über das Museum, die Ausstellungen und die Objekte im Allgemeinen erfahren, sondern ich konnte auch meinen Horizont erweitern. Im Rahmen des PAESE-Projekts (Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie in Niedersachsen) habe ich mich mit Rückgabeforderungen beschäftigt, von denen sich eine direkt auf die Türkei bezieht. Der Fall ist als »Boğazköy Sphinxen« bekannt. Es handelt sich um zwei hethitische Sphinxen und mehr als 10.000 Keilschrifttafeln, die 1906 in Zentralanatolien in Zusammenarbeit mit dem Müze-i Hümayun (heute Archäologisches Museum Istanbul) und dem Deutschen Archäologischen Institut entdeckt wurden. Während des Ersten Weltkriegs wurden die Objekte von Istanbul nach Berlin geschickt, damit sie dort restauriert werden. Eine Sphinx wurde 1924 zurückgeschickt, während die andere bis 2011 im Berliner Museum behalten wurde. Diese Restitutionsforderungen für die Boğazköy-Sphinx, die fast 100 Jahre andauerte, hat mein Interesse geweckt. Ich werde diese Geschichte nun in meiner Abschlussarbeit genauer beleuchten.