Gemäldekopie nach Casper David Friedrich – Die Entstehungsgeschichte von Kunstwerken und dessen Rekonstruktion

Wie entsteht eigentlich ein Gemälde? Und wie entstand der Tageszeitenzyklus von Caspar David Friedrich (1774–1840)? Der Restaurator und Vergoldermeister Bertram Lorenz berichtet über die prozessuale Entstehung des Morgens und des Abends aus dem Tageszeitenzyklus.

Vor kurzem hatte ich das Vergnügen die Gemälde »Der Morgen« und »Der Abend« aus dem »Tageszeitenzyklus« nachzubilden und möchte davon nun durch die Brille des Diplomrestaurators berichten. Zunächst stellt sich die Frage, welche Entstehungsgeschichte sich hinter Kunstwerken befindet. Obwohl jedes Werk auf unterschiedliche Art und Weise entstanden ist, lässt sich verallgemeinern: Oft ist die Entstehungsgeschichte anders, als zunächst angenommen wird!

Caspar David Friedrichs Tageszeiten-Zyklus aus dem Landesmuseum Hannover wirkt so, als hätte der Künstler die leuchtenden Farben direkt vor Ort, in der freien Natur aufgemalt.
Weit gefehlt: C. D. Friedrich zeichnete zwar vor Ort sehr viele beeindruckend genaue Naturstudien, die er in seine Bilder einfließen ließ, jedoch dachte er sich die eigentliche Komposition aus und der gesamte Malprozess fand in seinem Atelier, einem kleinen Kämmerlein in Dresden statt. Das Entstehen seiner Gemälde war sogar ein recht aufwendiger Prozess, den der Maler in feste Arbeitsschritte gliederte.

Aber wie genau könnte die Entstehung eines Gemäldes bei Caspar David Friedrich ausgesehen haben? Um dieser Antwort näher zu kommen, wurde versucht, die einzelnen  Arbeitsschritte des Künstlers zu rekonstruieren:

Vorbereitung der Leinwand  

CDF kaufte bereits fertig grundierte Leinwände bei einem Händler. Klassischerweise mit einer rötlichen, und darüber einer hellgrauen Grundierungsschicht, beide eine Mischung aus Glutinleim, Kreide, Pigmenten und Leinöl. Damit seine Bilder noch mehr leuchteten, applizierte er zudem häufig eigenhändig eine dünne Schicht mit weißer Ölfarbe (Bleiweiß, aufgestupft).

Das Gerüst

Auf den gründlich durchgetrockneten Untergrund wurde nun die eigentliche Komposition übertragen. Diese Unterzeichnung ist das Gerüst, an dem sich die folgenden Farbschichten halten werden. Bei CDF war sie meist eine strenge Umrisszeichnung mit der Zeichenfeder oder auch mit dem Grafitstift.

 

 

 

Das Antuschen

Nachdem die Unterzeichnung stand, folgte als »Imprimitur« eine Lasur aus schnelltrocknenden Ölfarben in Ocker/Umbra. Das war eine Technik, die CDF wohl von seinen lavierten Zeichnungen her gut beherrschte und auf seine Ölmalerei übertrug. Wie in einem schwarz/weiß-Foto lassen sich damit vorab die Verteilung von Licht und Schatten im Bild komponieren. Dem »Horror vacui«, also der Angst vor der leeren Fläche beim anschließenden Malen mit bunten Farben, wird damit vorgebeugt.

 

 

Endlich Malen!

…nur womit? Wie bei vielen Künstlern, gibt es auch zu CDF mittlerweile einige Untersuchungen zu den Pigmenten, die er in seinen Farben verwendete. Bei den Kopien genügten etwa 10 verschiedene Ölfarben, deren Zusammenspiel zuvor auf einem kleinen Probekarton ausprobiert worden war.

 

 

 

 

 

 

 

Beim Auftrag seiner Farben ging CDF wie bei allem, ebenfalls systematisch vor: Erst die großen Flächen im Hintergrund, dann hin zu den kleinflächigen Details im Bildvordergrund.

Farbverläufe, etwa im Himmel, lassen sich gut erzielen, indem die Farben ineinander gestupft und dann mit einem weichen Haarpinsel miteinander vertrieben werden. Wenn man zügig arbeitet, schiebt der Pinsel beim Malen die vorigen, noch flüssigen Farbschichten beiseite und es entstehen reizvolle Mischungen abseits der Palette direkt auf der Leinwand. Das nutzte CDF besonders bei den Bäumen.

 

 

 

Im Bildvordergrund bleibt die ockerbraune Imprimitur oft erkennbar, trotz der Lasuren und der aufgesetzten Details. Bei den kleinen, so präzise gemalten Bildern wie dem Tageszeitenzyklus, ist das Kopieren eine wirkliche Konzentrations- und Fleißarbeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abschließend wird nach einer möglichst mehrmonatigen Trockenzeit als Schutz der Firnis aufgetragen (und die Vernissage gefeiert).  Die Farben erhalten dadurch mehr Tiefe und einen gleichmäßigen Glanz. Das Gemälde ist fertig!

 

 

Was gab es für Erkenntnisse ?

Soviel wie möglich vom Original kopieren! Oder in den Worten von Leonardo da Vinci: »Wer zur Quelle gehen kann, der gehe nicht zum Wassertopf«. Ich habe mich auf die hervorragenden Fotos des Museums verlassen, was gut war, um in die kleinen Details hinein zu zoomen. Aber manches wie die Nuancen der Farben und die Abstufungen der Helligkeit lassen sich so kaum exakt treffen. Ich musste all dies nach dem Besuch der Originale mühevoll korrigieren – was kompliziert war, da hierbei schnell der unmittelbare spontane Charakter verlorengehen kann. Es gibt also sehr gute Gründe, warum früher überall im Museum Staffeleien mit pinselbewehrten Studierenden davor zu finden waren.
Und das wichtigste Fazit: Intensiver als beim Kopieren kann man sich kaum einem alten Meister nähern und von ihm lernen. Es ist wie ein Zwiegespräch mit dem Künstler, Fragen nach dem »Warum« und »Wieso« wurden beim Prozess beantwortet und nachvollziehbar. Allein wegen der neuen Erkenntnisse, würde ich jederzeit wieder ein solches Kunstwerk nachbilden.

 

 

Bertram Lorenz
Diplomrestaurator und Vergoldermeister

Seit 2016 lebt und arbeitet Lorenz als freiberuflicher Restaurator in Berlin. Seinen Meister absolvierte er als Vergolder und Fassmaler, bevor er sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden antrat. Als Freiberufler arbeitet Lorenz u.a. für die Staatlichen Museen zu Berlin und für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.