Die ersten Jedi – Die Erfindung des Schwertes

Keine Waffe übt eine größere Anziehungskraft auf uns aus als das Schwert. Schwerter dienten bis ins 19. Jh. Offizieren und Adeligen als Waffen genauso wie als Standesabzeichen und werden noch heute bei feierlichen Anlässen, z.B. von Majestäten, getragen. Schwerter waren schon immer besonders. Sie haben Namen und besitzen magische Kräfte. Das eigene Schicksal mit dem der Waffe zu verbinden ist gefährlich. Schwerter wie König Artus Excalibur sind der Ausgangspunkt tragischer Sagen und für den Aufstieg und Fall von Königreichen verantwortlich. Schwerter mit Namen oder magischen Inschriften kennen wir aus dem Mittelalter und der Antike, und auch in der modernen Popkultur nimmt das Schwert eine besondere Rolle ein. So können sich die ansonsten unsterblichen Krieger im Fantasy-Klassiker Highlander mit Schwertern im Zweikampf enthaupten, und im Star Wars-Franchise bezeichnet der alte Obi Wan Kenobi (Sir Alec Guiness) das Lichtschwert der Jedi Ritter ehrfürchtig von einer „elegante Waffe aus zivilisierteren Tagen“. Gerade in einer Zeit der Fernwaffen und der anonymisierten Kriegsführung werden Schwerter geradezu romantisch verklärt. Dabei waren sie die längste Zeit schreckliche Waffen.

Wo kommen Schwerter eigentlich her? Und warum faszinieren sie uns noch heute?

Die Antwort darauf geben archäologische Quellen. Schwerter stellen in der Entwicklung der Bewaffnung eine wichtige Innovation dar. Mit ihnen kann man zuschlagen aber auch zustoßen. Sie verbinden damit die Angriffsmöglichkeiten von Axt und Lanze. Außerdem verfügen sie über eine lange, scharfe Schneide, die gefährliche Verletzungen zufügen kann. Die Herstellung von Schwertern ist sehr arbeitsintensiv und erfordert große Sorgfalt. Das galt auch für die frühesten Schwerter. Diese stammen aus der Zeit um 3000 v. Chr. und sind vom Kaukasus über Obermesopotamien bis in die südliche Levante verbreitet und aus Kupfer hergestellt.

Bevor man Schwerter allerdings überhaupt gießen konnte, mussten nicht unerhebliche technische Probleme gemeistert werden. Zwar hatten Menschen bereits im 5. Jahrtausend begonnen Beile und Äxte aus Kupfer zu gießen, aber deren relativ massive Körper erlaubten einen Einsatz auch bei kleineren Gussfehlern. Das war mit Waffen mit schmalen, dünnen und langen Klingen deutlich anders. Um 4.000 v. Chr. entstehen im Karpatenbecken und Schwarzmeergebiet die ersten Dolche. Diese sind noch recht kurz, werden aber bereits in einigen Fällen aus Arsenkupferverbindungen hergestellt. Diese Legierung erlaubt eine wesentlich bessere Verarbeitung des Metalls; es treten z.B. weniger Blasen auf, und damit könnten schlanke Klingen besser gegossen werden. Zunächst allerdings wird diese Erfindung zufällig gemacht, und es dauert mehrere Jahrhunderte bis Menschen durch Try & Error aber auch gezielte Experimente zu genormten Metallrezepten kommen.

Ein erster Schritt dabei war wohl die Nutzung natürlicher Legierungen, sog. Fahlerze. Einigen Gießern gelang es wohl, die besseren Gusseigenschaften, erhöhte Härte und andere Farbe des Kupfers mit dem besonderen Erz in Verbindung zu bringen. Im nächsten Schritt konnten solche „besonderen“ Vorkommen gezielt eingesetzt und auch gemischt werden. Wir befinden uns in einer Zeit in der es noch keine Schrift gab bzw. diese gerade erst in Mesopotamien erfunden wird, deswegen musste dieses Wissen mühsam und langwierig erarbeitet werden. Vermutlich wurde es innerhalb von Verwandtschaftsgruppen weitergegeben, die auf das Kupfergießen spezialisiert waren. Wie genau das Wissen aber systematisiert und dann verbreitet wurde, wird gerade erst erforscht. Um 3.200 v. Chr. jedenfalls ist es soweit bekannt, dass Arsenkupferverbindungen über weite Distanzen bekannt sind. Manche Forscher sprechen sogar von einer Arsenbronze, um die große Regelhaftigkeit der neuen Legierung und ihre Bedeutung (nämlich als Vorform der Zinnbronze) zu betonen.

Genau in dieser Zeit tauchen die ersten Schwerter auf. Sie sind absolute Spitzenprodukte ihrer Zeit in denen Wissen um Gießtechnik, Legierung und Schmiedekunst kulminieren. Erstaunlicherweise tauchen die ersten Schwerter aber nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, in den späteren Hochkulturen Ägyptens und Mesopotamiens auf, sondern im Kaukasus. Von dort verbreitet sich das Wissen um ihre Herstellung eventuell mit einer neuen Bevölkerung nach Süden und erreicht Südostanatolien und von dort auch die südliche Levante. Nach Ägypten gelangen Schwerter nicht, und genauso wenig erreichen sie in dieser frühen Zeit Mittel- und Nordeuropa. Es fehlt die dazu nötige technologische Basis. Erst über tausend Jahre später in der Bronzezeit kommt es zu einer lokalen Schwertproduktion im Norden.

Von Beginn an waren Schwerter kein Alltagsgegenstand. Im Gegenteil sprechen die archäologischen Kontexte dafür, dass ihr Besitz hochrangigen Persönlichkeiten vorbehalten war. Sie werden mit diesen bestattet, begleiten also den Besitzer als Grabbeigabe, oder werden von diesem an uns unbekannte übersinnliche Wesen oder alte Götter geopfert, und deswegen in Tempeln oder Kultgebäuden gefunden. Beides lässt sich auf Europa übertragen, nur kommt hier, anstatt des Tempels, das Opfer in freier Natur, entweder an markanten, als heilig empfundenen Plätzen oder im Fluss/See, hinzu. Eventuell spiegeln sich in den bronzezeitlichen Flussfunden die ins mythische verklärten Vorstellungen viel späterer Zeiten, wie sie z.B. in der Artus Sage anklingen.

Wer aber waren die Schwertträger?

In den frühesten Zeiten waren Schwertträger sehr selten, und verfügten Zugang zu einer seltenen, und nur von wenigen Handwerkern herzustellenden Waffe. In den aufkommenden Handelsnetzen im Ostmittelmeerraum und entlang der orientalischen Flusssysteme könnten sich solche Personen schnell einen Ruf als außergewöhnliche Krieger gemacht haben – ihre Waffentechnologie jedenfalls wurde schnell kopiert und offenbar lokal umgesetzt. Schwertträgern gelang es im Alten Orient an einigen Stellen die Herrschaft an sich zu reißen, und sich selbst zu Königen zu krönen – so zumindest ließe sich das Königsgrab im berühmten südosttürkischen Fundplatz Arslantepe nahe des heutigen Malatya deuten. Dort ist um 3.000 v. Chr. ein „fremder“ Krieger, den die Ausgräber mit einer aus dem Norden eingewanderten Gruppe in Verbindung bringen, mit einer Vielzahl an Waffen bestattet, darunter Beile, Lanzen und Schwerter (Ein Bild des Befundes kann online eingesehen werden: http://www.antichita.uniroma1.it/node/5850).

Nach allem was wir wissen, genossen diese Krieger auch in der folgenden Bronzezeit großes Ansehen. In der Ilias sind es Könige und Helden, die beim Kampf um Troja ihr Leben lassen. Umstritten ist, ob das auch für Niedersachsen gelten kann. Für die Nordische Bronzezeit konkurrieren nämlich zwei Modelle. Während Prof. Kristian Kristiansen vorgeschlagen hat in den Besitzern der Schwerter die „Samurai der Bronzezeit“ zu sehen, weisen andere Kollegen auf die zu dieser Zeit bereits erhebliche Fundmenge hin, und glauben eher an freie, bewaffnete Bauern. Das kürzlich gefundene bronzezeitliche Schlachtfeld im Tollensetal in Mecklenburg zeigt allerdings, dass normale Kriege auch ohne Schwerter ausgetragen wurden, und Knüppel und Lanzen sehr viel häufiger im Einsatz waren.

Schwerter konnten ihre Vorteile vor allem im Einzelkampf zur Geltung bringen. Im Gegensatz zu spitzen Stöcken oder Lanzen, waren sie in einer Formation weniger sinnvoll einsetzbar, und im Vergleich zu anderen Waffen erlaubten sie sehr elaborierte Manöver und belohnten intensives Training. Manchmal lässt sich das sogar an den Knochen von mit Schwertern bestatteten Kriegern nachweisen. Im Laufe der Bronzezeit werden Schwerter Teil einer ausgefeilten bronzenen Bewaffnung, die auch Metallschilde, Helme, Brustpanzer und Beinschienen umfasst. Leider liegt uns in keinem Fall die gesamte Ausrüstung zusammen vor, sondern Teile davon wurden, vielleicht aufgrund ihres hohen Wertes, nur einzeln oder in Teilen entäußert.
Die so gerüsteten Kämpfer müssen eine eindrucksvolle Erscheinung gewesen sein, wenn sie in golden schimmernder, mit magischen Ornamenten verzierter Bronze gekleidet, zum Kampf antraten. Schon in der Antike war man ähnlich beindruckt: Im Epos Ilias des griechischen Dichters Homer, das einen Teil der Belagerung Trojas nacherzählt, wird die imposante Erscheinung gerüsteter Krieger mehrfach betont, und auch die Bibel beschreibt detailliert Helm und Rüstung des Philisters Goliath. Lange dachte man in der Forschung, dass die archäologisch überlieferten Waffen keinen praktischen Nutzen hatten. Neue Forschungen haben jedoch zweifelsfrei erwiesen, dass die Rüstungen wirklich in Gebrauch waren und die Spuren schrecklicher Kämpfe tragen (https://mmoedlinger.eu/bronze-age-armour/).

Diese Kämpfe müssen aus unserer Sicht erschreckend brutal gewesen sein!

Schwerter wurden sicherlich auch in der Bronzezeit (und noch viel später) als magisch und besonders wertvoll wahrgenommen. Viele Details kennen wir gewiss (noch) nicht, aber vielleicht geht man nicht zu weit die Assoziationen der Waffen auch auf ihre Träger auszudehnen. In diesem Fall wären die ersten Schwertträger tatsächlich so etwas gewesen, wie die ersten Jedi.

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Dr. Florian Klimscha, Kurator Archäologie
Immer auf der Suche nach den ersten Jedi in der Bronzezeit!

 

Weiterführende Literatur

J.-H. Bunnefeld, Häuptlinge oder freie Bauern? Versuch einer quantitativen Auswertung bronzezeitlicher Schwerter der Perioden II und III in Dänemark und Schleswig-Holstein. In: I. Heske/H.-J. Nüsse/J. Schneeweiss (Hrsg.), Landschaft, Besiedlung und Siedlung. Archäologische Studien im nordeuropäischen Kontext. Festschrift für Karl-Heinz Willroth zum 65. Geburtstag. Göttinger Schriften zur Vor- und Frühgeschichte 33(=Schriftenreihe des heimatkundlichen Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg 20 (Neumünster/Hamburg 2013) 417-426.

M. Frangipane, A 4th-Millennium Temple/Palace complex at Arslantepe-Malatya. North-South relations and the formation of Early State Societies in the Northern Regions of Greater Mesopotamia. Paléorient 23, 1997, 45-73.

S. Hansen, Der Held in historischer Perspektive. In: T. Link / H. Peter-Röcher (Hrsg.),
Gewalt und Gesellschaft. Dimensionen der Gewalt in ur- und frühgeschichtlicher Zeit.
Internationale Tagung vom 14.–16. März 2013 an der Julius-Maximilians-Universität
Würzburg. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 259 (Bonn 2014)
159-168.

Ch. Horn, Auf Messers Schneide. Gedanken zum Einfluss vorgeschichtlicher Gefechte auf soziale und technologische Veränderung und Stabilität. Mitteilungen der antrhopologischen Gesellschaft in Wien (MAGW) 143, 2013, 73-96.

D. Jantzen/J. Orschiedt/J. Piek/T. Terberger (Hrsg.), Tod im Tollensetal – Forschungen zu den Hinterlassenschaften eines bronzezeitlichen Gewaltkonfliktes in Mecklenburg-Vorpommern 1. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern 50 (Schwerin 2015).

F. Klimscha, The Technical Development of bladed Close Combat-Weapons and the Use of the Earliest Swords. Reconsidering a Late 4th/Early 3rd Millennium find from Megiddo, Israel. Eurasia Antiqua 20, 2014 [2017], 219-228.

F. Klimscha, Technikarchäologische Perspektiven zum Aufkommen spezialisierter Angriffswaffen aus Stein und Kupfer in der südlichen Levante (4.–3. Jahrtausend v. Chr.). In: H. Peter-Röcher/Th. Link (eds.) Gewalt und Gesellschaft. Dimensionen der Gewalt in ur- und fruhgeschichtlicher Zeit. Internationale Tagung vom 14.–16. Marz 2013 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie (Bonn 2014) 145-158.

K. Kristiansen, The Tale of the Sword. Swords and Swordfighters in Bronze Age Europe. Oxford Journal of Archaeology 21, 2002, 319-332.

M. Mödlinger, Protecting the body in war and combat: metal body armour in Bronze Age Europe. Oriental and European Archaeology 6 (Wien 2017). Online verfügbar: http://www.austriaca.at/7741-8inhalt?frames=yes